Der Mensch entscheidet über das Wohlbefinden von Kälbern in der Aufzucht. Zwei Studien decken Schwachstellen auf und zeigen Strategien zur Verbesserung.
Der Mensch allein entscheidet darüber, wie erfolgreich und im Sinne des Wohlbefindens der Tiere die Aufzucht von Kälbern in Milchkuhbetrieben gelingen kann. Es ist seine Aufgabe, die wissenschaftlich erwiesenen Empfehlungen zur optimalen Versorgung, Fütterung und Haltung bestmöglich in die tägliche Arbeit im Praxisbetrieb einzubringen und umzusetzen.
Zwei Studien haben sich mit dem Faktor Mensch in der Kälberaufzucht beschäftigt und zeigen häufige Schwachstellen und Tipps für Verbesserungen auf.
Häufige Schwachstellen in der Kälberaufzucht auf Milchkuhbetrieben
Wissenschaftler aus Deutschland (Hayer et al., 2020, Implementation of management recommendations in unweaned dairy calves in western Germany and associated challenges) haben sich damit beschäftigt, wie es um die Implementierung, also das Einbringen und Umsetzen, von wissenschaftlichen Empfehlungen in der Kälberaufzucht in Praxisbetrieben steht und welche Faktoren dies beeinflussen. Zu den Ergebnissen:
Hygiene Kälberboxen: 90,5 % der befragten Betriebe reinigten die Kälberboxen nach jedem Kalb mit einem Hochdruckreiniger, 7,1 % setzen dabei einen Reiniger ein. Eine anschließende empfohlene Desinfektion der Boxen führten 73,8 % der Betriebe durch.
(Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Selbst die besten Betriebe haben noch Potential, die Versorgung ihrer Kälber zu verbessern.“
Hayer et al., 2020
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Der Mensch allein entscheidet darüber, wie erfolgreich und im Sinne des Wohlbefindens der Tiere die Aufzucht von Kälbern in Milchkuhbetrieben gelingen kann. Es ist seine Aufgabe, die wissenschaftlich erwiesenen Empfehlungen zur optimalen Versorgung, Fütterung und Haltung bestmöglich in die tägliche Arbeit im Praxisbetrieb einzubringen und umzusetzen.
Zwei Studien haben sich mit dem Faktor Mensch in der Kälberaufzucht beschäftigt und zeigen häufige Schwachstellen und Tipps für Verbesserungen auf.
Häufige Schwachstellen in der Kälberaufzucht auf Milchkuhbetrieben
Wissenschaftler aus Deutschland (Hayer et al., 2020, Implementation of management recommendations in unweaned dairy calves in western Germany and associated challenges) haben sich damit beschäftigt, wie es um die Implementierung, also das Einbringen und Umsetzen, von wissenschaftlichen Empfehlungen in der Kälberaufzucht in Praxisbetrieben steht und welche Faktoren dies beeinflussen. Zu den Ergebnissen:
Hygiene Kälberboxen: 90,5 % der befragten Betriebe reinigten die Kälberboxen nach jedem Kalb mit einem Hochdruckreiniger, 7,1 % setzen dabei einen Reiniger ein. Eine anschließende empfohlene Desinfektion der Boxen führten 73,8 % der Betriebe durch.
(Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Selbst die besten Betriebe haben noch Potential, die Versorgung ihrer Kälber zu verbessern.“
Hayer et al., 2020
Grundsätzlich wurde festgestellt, dass sich das Management der noch nicht von der Milchtränke entwöhnten Kälber zwischen den einzelnen befragten Betrieben groß unterschied (42 Milchkuhbetriebe, durchschnittlich 150 Kühe pro Betrieb und vier Personen, die für die Tiere zuständig waren).
Von insgesamt 52 abgefragten Empfehlungen aus den Bereichen „Abkalbe-Management“, „Kolostrum-Management“, „Haltung und Transport“, „Kälberfütterung“ und „schmerzvolle Prozeduren“ setzte der Durchschnittsbetrieb 56,3 % um, reichend von 37,3 % bis 74,5 %. Das zeigt, dass selbst die besten Betriebe noch Potential haben, die Versorgung ihrer Tränkekälber zu verbessern.
Empfehlungen, die selten (< 33 %) in den befragten Betrieben umgesetzt wurden bzw. Schwachstellen, waren:
(1) Hygiene-Management-Praktiken, wie das Reinigen und Desinfizierenvon Abkalbeställen, Kälberboxen und des Fütterungs-Equipments sowie auch das Desinfizieren des Nabels bei Neugeborenen direkt nach der Geburt.
(2) gute Kolostrumversorgung, hier testeten lediglich 23,8 % der Betriebe die Kolostrumqualität und als kritisch wurde bewertet, dass insbesondere nachts geborene Kälber häufig erst später als empfohlen mit gemolkenem Kolostrum gefüttert wurden. So gaben 72,5 % der Befragten an, die erste Kolostrum-Gabe erst später als innerhalb der empfohlenen ersten Lebensstunde zu geben. 50 % der Befragten gaben dazu an, die Kälber auch bei der Kuh Kolostrum trinken zu lassen – eine Kontrolle der hier erfolgten Aufnahme ist kaum möglich.
(4) Enthornen von Kälbern innerhalb der ersten drei Lebenswochen und der Einsatz von Lokalanästhetika zum Enthornen und Entfernen von Beistrichen. Obwohl alle Befragten das thermische Enthornen als eine schmerzvolle Prozedur einstuften und eine Sedierung (Xylazin) und Schmerzmittelgabe (Meloxicam) zum Enthornen anwendeten, ließen nur 20 % der Betriebe eine zusätzliche lokale, totale Schmerzausschaltung durchführen. Dies liegt daran, dass Lokalanästhetika in Deutschland nur durch Tierärzte verabreicht werden dürfen, und nicht wie etwa in der Schweiz auch durch geschulte und zertifizierte Landwirte. Einen Tierarzt zum Enthornen hinzuzuziehen, ist eine Kostenfrage.
Empfehlung Enthornen: Die Anwendung einer Sedierung und eines Schmerzmittels beim Veröden der Hornanlage ist CC-relevant. Eine Lokalanästhesie (lokale, totale Schmerzausschaltung) ist zusätzlich empfohlen, jedoch nur durch einen Tierarzt zulässig.
(Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Familie Fuchs aus Oberschwaben hat die Aufzucht ihrer Kälber bis ins letzte Detail ausgefeilt. Der Dank sind wenig Verluste und gute Verkaufserlöse.
Der Faktor Mensch – was beeinflusst das Umsetzen von Empfehlungen in der Kälberaufzucht?
Doch woran liegt es, dass sich das Management bzw. die Umsetzung von aktuellen Empfehlungen für die Versorgung und Haltung der Kälber teils stark zwischen den einzelnen Betrieben unterscheidet?
Gründe für das Einbringen von Management-Empfehlungen sahen die Wissenschaftler insbesondere in der verfügbaren Arbeitskraft für die Kälberaufzucht und in der Bedeutung, die die Tierbetreuenden dem Tierwohl beimessen.
Ergebnisse: Die Implementierungsrate an Empfehlungen, also wie viele der 52 wichtigsten, abgefragten Empfehlungen für die Kälberhaltung in den befragten Praxisbetrieben eingeführt und umgesetzt wurden, war unabhängig vonAlter, Geschlecht, dem Ausbildungsstand des Befragten, sowie von der Herdengröße und der Anzahl an Personen im Betrieb, die die Tiere betreuen.
Folgende „menschliche“ Faktoren beeinflussten den Umfang an umgesetzten Empfehlungen positiv:
Arbeitsteilung oder extra Arbeitskraft, kann die Kälberversorgung verbessern.“
Hayer et al., 2020
Je höher der Ausbildungsstand der „Kälberbetreuenden“, desto mehr Empfehlungen zur Kolostrum-Versorgung wurden signifikant umgesetzt.
Wenn die Verantwortung für die Kälber mit mehreren Personen geteilt wurde, wurden tendenziell ebenfalls mehr Empfehlungen implementiert.
Auf Betrieben, mit einem Angestellten der für die Kälberaufzucht verantwortlich ist, waren ebenfalls mehr Empfehlungen im Management eingebunden. Genauer, wurde hier früher Kolostrum gegeben, eher Raufutter angeboten, die Abkalbeboxen öfter gereinigt, die Nabel der Neugeborenen öfter desinfiziert und die Kälber öfter im Alter unter drei Wochen enthornt.
Personen, die dem Tierwohl eine hohe Bedeutung beimessen, setzen mehr Empfehlungen um. Beschrieben Personen Tierwohl bei Kälbern mit u.a. „kein Fühlen von Schmerz“, „Zeigen von freudigem Verhalten“ und „gesund sein“, korrelierte das mit einer höheren Implementierungsrate an Empfehlungen.
Tierwohl ist eine wichtige Einflussgröße für eine erfolgreiche Kälberaufzucht“
Hayer et al., 2020
Beschrieben Personen Tierwohl bei Kälbern mit u.a. „Zeigen von freudigem, neugierigem, spielenden Verhalten“, korrelierte das mit einer höheren Implementierungsrate an Empfehlungen.
(Bildquelle: Lehnert, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Welches Spielzeug ist für Kälber zu empfehlen, welches nicht? Wolfgang Müller von den Bayerischen Staatsgütern in Grub-Poing hat konkrete Tipps für Sie parat.
Strategien, die die Versorgung von Kälbern verbessern können und Fazit
Wissenschaftler aus Kanada (Wilson et al., 2023, How can better calf care be realized on dairy farms? A qualitative interview study of veterinarians and farmers.) haben 21 Milchkuhhalter (durchschnittlich 265 laktierende Kühe und 40 Tränkekälber) und deren bestandsbetreuenden Tierärzte dazu befragt, welche Strategien sich bewähren, um die Versorgung der Kälber in den Praxisbetrieben zu verbessern.
Die Ergebnisse aus den Interviews zeigten folgende Strategien für eine Optimierung der Kälberversorgung auf:
Tierärzte und Kälberhändler können den Versorgungsstandard von Kälbern mit beeinflussen“
Wilson et al., 2023
Landwirte können das Management ihrer Kälber insbesondere verbessern, indem sie die Motivation der für die Versorgung der Kälber zuständigen und verantwortlichen Personen im Betrieb fördern (z. B. durch offizielle Übertragung von Verantwortung, das Angebot von Fortbildung, Bonuszahlungen für Zielerreichung) und/oder durch die Ergänzung von Technologien im Kälberbereich (insb. automatisierte Milchtränke). Einen Einfluss auf die vorhandenen Standards in der Kälberversorgung/-aufzucht in den Betrieben haben auch die persönlichen inneren, ethischen Werte der Betriebsleiter sowie Mitarbeiter, ihre sozialen Netzwerke und Beziehungen zu verschiedenen Handelspartnern und Firmen aus dem Milchkuh-Sektor. Für einzelne Betriebe kann auch eine ausgelagerte Kälberaufzucht oder eine ausschließliche Bestandsergänzung durch Zukaufkühe die beste Option sein.
Bestandsbetreuende Tierärzte können zu einer besseren Kälberversorgung beitragen, indem sie den Betrieben Unterstützung anbieten. Besonders, indem sie aktiv ins Monitoring der Kälber einbezogen sind, dabei helfen Arbeitsabläufe zu strukturieren und zu standardisieren (SOPs implementieren) und entsprechende Ziele für die Versorgung (z. B. Kolostrumgabe innerhalb der ersten Lebensstunde) und Aufzucht zu setzen, und vor allen Dingen, dabei die betriebseigenen Daten bezüglich der Versorgung und Aufzucht auszuwerten, um entsprechend betriebsindividuell hilfreiche neue Empfehlungen in das tägliche Management einbringen zu können. Eine gute Kommunikation und Vertrauensbasis zwischen Tierarzt und Landwirt ist wichtig.
Kälberhändler, die Verkaufskälber aufkaufen, können stark zu einer Verbesserung der Kälberaufzucht beitragen. Indem sie mit den Landwirten über die Qualität der Kälber kommunizieren und ihnen eine Rechenschaftspflicht anbieten und ihre Einkaufsstrategien dahingehend verbessern, die Herkunftsbetriebe durch höhere Erlöse dazu zu motivieren, bessere (schwer, fit) Verkaufskälber aufzuziehen.
Innere Werte wie Empathie für das Tier, Stolz auf die eigene Arbeit und eine hohe Motivation gute Arbeit zu machen, steigern die Bereitschaft, die Versorgung von Kälbern zu verbessern“
Wilson et al., 2023
Bestandsbetreuende Tierärzte haben einen besonders großen Einfluss darauf, wie erfolgreich sich die Versorgung der Kälber in einem Milchkuhbetrieb gestalten lässt.
(Bildquelle: Mühlinghaus)
Fazit: Um das Wohlbefinden und damit die Leistung von Kälbern zu verbessern, hilft es,
|Management-Praktiken auf den Betrieben regelmäßig zu prüfen und zu bewerten und Bereiche zu identifizieren, wo aktuelle Empfehlungen nicht gut umgesetzt werden.
| den Arbeitsbereich Kälberaufzucht als einen „eigenen“ Arbeitsbereich im Betrieb ansehen und dementsprechend mit am besten mindestens zwei zuständigen Personen organisieren – eine gute Kälberaufzucht kann nicht „nebenher“ erfolgen, sie braucht ihr fest zugeordnete, verantwortliche Arbeitskraft.
| bei schlecht verfügbarer Arbeitskraft Teilbereiche in der Kälberaufzucht durch bewährte Technologien zu „automatisieren“ (insb. Tränkeautomaten), die Anzahl an Aufzuchtkälbern so gering wie möglich zu halten oder es zu erwägen, die Kälberaufzucht auszulagern.
|regelmäßig Weiterbildungen im Bereich Versorgung und Aufzucht von Kälbern zu machen, denn Empfehlungen können sich mit den Erkenntnissen aus der laufenden Wissenschaft auch verändern. Als besonders wirksam stellten sich Formen von kooperativen Lernen heraus (Peer-Learning; Austausch in Kursen/Seminaren/Workshops mit Praktikern und Experten, Kombination von Theorie und Praxis), aber auch die Teilnahme an Vorträgen oder an wissenschaftlichen Studien oder Projekten.
| das Wohlbefinden der Kälber, ebenso wie eine optimale Haltung und Fütterung, als Einflussgröße für eine erfolgreiche Kälberaufzucht anzusehen.
| einen fachlich sehr guten, vertrauensvollen bestandsbetreuenden Tierarzt zu haben, der auch die Kälberaufzucht im Betrieb mit berät und im Stall mitverfolgt.
| einen Kälberhändler zu haben, der mit dem Landwirt über die Qualität der Verkaufskälber spricht und gute Qualitäten entsprechend mit besseren Erlösen honorieren kann.
| der Einsatz von Fleischrassebullen zur Erzeugung wertvollerer Verkaufskälber kann motivieren, die Kälberversorgung zu verbessern.
Hauke und Thies Tramsen haben die Kälberaufzucht bestens im Griff. Ihr Erfolgsrezept: Die Kälber intensiv tränken, trocken betten und sonst möglichst in Ruhe lassen.